Neurodermitis

Neurodermitis ist speziell für kleine Kinder eine Qual

1. Sep. 2021 / Mavena-Team

Was hinter der Diagnose Neurodermitis steckt und wie Eltern am besten reagieren, erklärt Dr. med. Martin Glatz, Facharzt für Dermatologie und Allergologie in Uster.

Wie viele Kinder leiden in der Schweiz an Neurodermitis?

Circa 10 bis 20 Prozent sind davon betroffen.

Woran erkennt man die Krankheit?

Das Hauptmerkmal ist die trockene Haut. Bei aktiver Entzündung kommt es zu Ekzemen. An befallenen Stellen rötet sich die Haut, nässt und juckt stark. Bei betroffenen Säuglingen treten die Hautausschläge meistens an der Kopfhaut, an Wangen, Armen, Beinen und auch am Rumpf auf. Der Windelbereich ist hingegen kaum betroffen. Kinder und Jugendliche juckt es vor allem in den Kniekehlen, den Ellenbeugen und an den Handgelenken. Manchmal treten die Ekzeme auch am Hals und im Gesicht auf.

Weshalb ist eine ärztliche Konsultation wichtig?

Damit man den Juckreiz und die Ekzeme möglichst früh behandeln kann und die Kinder nicht lang leiden müssen. Zudem gibt es diverse andere Hautkrankheiten, die sich in ähnlichen Symptomen äussern wie die Neurodermitis, aber anders behandelt werden müssen. So kann zum Beispiel auch ein Zinkmangel zu Rötungen und nässenden Hautstellen führen. Davon sind allerdings Babys von stillenden Veganerinnen oder vegan ernährte Kinder eher betroffen.

Was geschieht bei Neurodermitis mit der Haut?

Bei einer gesunden Haut ist die äussere Hornschicht elastisch, mässig feucht und bildet eine Barriere zur Aussenwelt. Diese Hautschicht verliert fortlaufend Zellen und wird von innen her erneuert. Bei Kindern mit Neurodermitis ist die Haut sehr trocken. Dadurch wird sie spröde, es bilden sich kleinste Risse, und ihre Schutzfunktion ist nicht mehr gewährleistet. Als Folge ist die innere Schicht der Haut Umwelteinflüssen und Keimen schutzlos ausgesetzt, sie entzündet sich und beginnt zu jucken.

Ab wann tritt die Krankheit auf?

Schon in den ersten Lebensmonaten kann es erste Anzeichen dafür geben. Bei 85 Prozent aller erkrankten Kinder beginnt die Neurodermitis in den ersten zwei Lebensjahren.

Welche Kinder sind besonders stark von Neurodermitis betroffen?

Wenn beide Elternteile daran leiden, hat ihr Kind ein um das Sechsfache erhöhtes Risiko, auch an Neurodermitis zu erkranken.

Welches sind die Ursachen?

Die Ursachen der Neurodermitis sind vielfältig. Neben der genetischen Veranlagung können auch Umweltfaktoren, das Klima, bei Kindern manche Lebensmittel und Allergene wie Pollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben eine Rolle spielen. Vor der Pubertät verschwindet die Empfindlichkeit gegenüber gewissen Lebensmitteln bei den meisten Betroffenen.

Welche Massnahmen sind bei der Behandlung von Neurodermitis am wichtigsten?

Das Allerwichtigste ist, den ganzen Körper zweimal täglich mit einer für Babys oder Kinder geeigneten rückfettenden Lotion, Creme oder einem Öl einzucremen. Dadurch repariert man die gestörte Schutzfunktion der Haut und erhöht ihren Feuchtigkeitsgehalt und ihre Elastizität. Das macht 95 Prozent des Erfolges einer Neurodermitis-Therapie aus. Beim Auftreten von Ekzemen müssen entzündungshemmende Cremes eingesetzt werden. Hier hat sich vor allem Kortison als Wirkstoff in diesen Cremes bewährt, das richtig verordnet und angewendet kein Risiko für das Kind darstellt. Es gibt auch kortisonfreie Alternativen, die bei milden Krankheitsverläufen ausreichen können.

Für betroffene Kinder ist vor allem der Juckreiz quälend. Was können Eltern tun, damit sich ihr Kleinkind nicht blutig kratzt?

Kratzen verstärkt den Juckreiz noch mehr, beschädigt die Haut und erhöht das Risiko für eine Infektion der Haut mit Pilzen oder Bakterien. Zentral ist die Rückfettung der ganzen Haut zweimal täglich – damit kann man den Juckreiz am besten lindern. Kühlende Umschläge können ebenfalls hilfreich sein.

Was müssen Eltern bei der Körperhygiene beachten?

Auch Kinder mit Neurodermitis dürfen täglich baden oder duschen. Das Wasser sollte jedoch nur lauwarm (32 °C oder kühler) sein und die maximale Badedauer 10 Minuten nicht überschreiten. Am besten verwendet man rückfettende Badezusätze oder Duschöle. Nach dem Baden oder Duschen muss die Haut unbedingt überall eingecremt werden.

Gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten?

Für besonders schwere Fälle stehen uns heute Medikamente zur Verfügung, die das Immunsystem bremsen und die Neurodermitis abschwächen können. Diese Medikamente müssen aber nur bei sehr wenigen Patienten eingesetzt werden. Bei den allermeisten Kindern führt konsequentes Eincremen zu vollständiger Beschwerdefreiheit.

Kann die Alternativmedizin helfen?

Keine alternativmedizinische Behandlung hat sich in wissenschaftlichen Studien als wirksam erwiesen. Leider bevorzugen manche Eltern aus Abneigung gegenüber der Schulmedizin solche Methoden. Das führt oft nur zu einer Verlängerung des Leidensweges für ihr Kind. Die erfolgreichste Behandlung ist das Eincremen. Die Rückfettung der gesamten Haut mit einer Bodylotion ist garantiert nebenwirkungsfrei.

Wie sehen die Prognosen aus?

Neurodermitis ist eine chronische Erkrankung. Sie ist nicht heilbar, aber gut behandelbar. Die Therapie wirkt aber nur so lange, wie sie angewendet wird. Betroffene müssen ihre Haut oft über viele Jahre, manchmal lebenslang regelmässig eincremen. Eine Überdosierung ist dabei übrigens nicht möglich.

Mit zunehmendem Alter schwächen sich die Symptome der Neurodermitis meist ab. Zwei Drittel aller betroffenen Kinder sind nach der Pubertät beschwerdefrei.

Lesen Sie mehr zur innovativen & schonenden Behandlung von Neurodermitis bei Kindern mit Mavena B12!


Das Interview ist ursprünglich erschienen auf: https://baby-und-kleinkind.ch - Autorin Susanna Steimer Miller